Der Thesaurusgedanke im Grimmschen Wörterbuch

  • Michael Schlaefer Deutsches Wörterbuch, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Germany

Samenvatting

Benutzer betrachten das Grimmsche Wörterbuch vielfach als vollständige Sammlung aller deutschen Wörter und ihrer Belegstellen. Diese Auffassung ist auf verschiedene Ansprüche von Grimm-Lexikographen zuruckzuführen, einen Thesaurus zu erstellen. Unternehmensgeschichtlich ist es möglich, vier verschiedene Thesauruskonzepte in der Entwicklung des Deutschen Wörterbuches zu unterscheiden. In der ersten Periode wurde das Thesauruskonzept vom Bemühen J. Grimms bestimmt, die ganze Fülle der deutschen Sprache in nur einem Wörterbuch zu erschließen. Da er nach bestimmten individuellen Gesichtspunkten auswählt, kann vom Thesauruskonzept der setzend gewichteten Fülle gesprochen werden. In der zweiten Periode wurden die setzenden Elemente durch philologisch-wissenschaftliche Vollständigkeitsbegründungen abgelöst. Die neue wissenschaftliche Begründung des Vollständigkeitsanspruchs, die R. Hildebrand als innere Vollständigkeit umschreibt, schafft die Grundlage dafür, daß das Grimmsche Wörterbuch zum Nationalthesaurus wird, führt aber auch zu einer erheblichen Verlangsamung der Produktion. Daher entstehen Akzeptanzverluste und es kommt zu Planungen für einen Konkurrenz-Thesaurus. Mit der Übernahme durch die Preußische Akademie werden wichtige Reformen beim Deutschen Wörterbuch eingeleitet. Sie markieren den Beginn der dritten Phase des Thesauruskonzepts. Vor allem kommt es zu einer Beschränkung des Vollständigkeitsanspruchs auf die Schriftsprache. Die bestehenden Probleme konnten durch die Reformen jedoch nur zu einem Teil gelöst werden. Philologisch verstandene Vollständigkeit in den Wörterbuchartikeln war nicht mit dem Bemühen um einen Abschluß des Wörterbuchs in vertretbarer Zeit zu verbinden. Die Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs führte diese Probleme fort. Die Göttinger Arbeitsstelle versucht seit 1987, mit einem neuen Thesauruskonzept zu einer Lösung zu kommen. Dieses vierte Konzept beruht auf einer funktionalen Trennung von selektiven Wörterbuchartikeln und einem komplementären datenbankgestützten Großarchiv.  
Citeerhulp
Schlaefer, M. (1). Der Thesaurusgedanke im Grimmschen Wörterbuch. Lexikos, 4(1). https://doi.org/10.5788/4-1-1078
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